Warburg (red). Zur geplanten Schließung der Zuckerfabrik schreibt Warburgs Bürgermeister Michael Stickeln an den Vorstand und Aufsichtsrat der Südzucker AG: „Ich musste den Medien überraschend entnehmen, dass im Rahmen eines Restrukturierungsplanes der Südzucker AG Werksschließungen in Betracht gezogen werden und hiervon auch das Werk in Warburg planmäßig betroffen ist. Aufgrund der Liberalisierung und der damit einhergehenden Lockerung des EU-Zuckermarktes habe ich zwar durchaus Verständnis für das Bestreben der Südzucker AG, neue Wege zu beschreiten bzw. anderweitige Prozesse anzustoßen, um künftig die Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere auch vor dem Hintergrund der ungleichen Markt- und Wettbewerbsbedingungen in Europa, gewährleisten zu können. Unter Berücksichtigung nachfolgender Aspekte möchte ich Sie dennoch mit diesem Schreiben nachdrücklich bitten, die angekündigte Schließung der Warburger Betriebsstätte noch einmal grundlegend zu überdenken. Als Kind der landwirtschaftlich geprägten Warburger Börde besteht seitens meiner Person von jeher eine enge und emotionale Verbundenheit mit den heimischen landwirtschaftlichen Betrieben, Einrichtungen und Landwirten. Bereits mit meinem Amtsantritt als Bürgermeister in Warburg im Jahre 2004 stand ich Seite an Seite mit unseren Rübenbauern, um bei den sogenannten „Mahnfeuern“ gegen die geplante Zuckermarktreform zu protestieren. Wie bereits kürzlich auf der Grünen Woche in Berlin mit Herrn Günter Tissen, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker e.V. und Verein der Zuckerindustrie e.V. besprochen, möchte ich mich auch weiterhin für einen gerechten EU-weiten Zuckermarkt einsetzen. In diesem Zusammenhang habe ich zugesagt, unsere sehr guten Kontakte nach Berlin, unterstützt durch Herrn Bundestagsabgeordneten Christian Haase – der auch Mitglied des Bundesvorstandes der CDU ist – zu nutzen, um das Thema des ungleichen Wettbewerbs bei den relevanten Regierungsverantwortlichen zu platzieren und nachdrücklich in Erinnerung zu rufen. Die Zuckerfabrik selbst stellt in Warburg in vielerlei Hinsicht weit mehr dar als „nur“ ein Industrieunternehmen unter vielen. Für unsere Stadt wie die gesamte umliegende Bördelandschaft und die Region bedeutet sie vielmehr ein echtes und unverwechselbares Wahrzeichen und auch über die Landesgrenze hinaus bringt man Warburg mit der Zuckerfabrik in Verbindung. Gegründet 1882, und damit ältestes Unternehmen in Warburg, fungiert sie schon immer als ein identitätsstiftendes Merkmal unserer Region. Generationen sind aufgewachsen mit dem prägnanten Duft der Melasse und den mit Zuckerrüben beladenen Treckergespannen auf den Straßen, stets zusammenfallend mit dem Auftakt des überregional bekannten und weithin beliebten Volksfestes, der „Warburger Oktoberwoche“. Als bestmöglich in der Mitte Deutschlands gelegener Standort mit hervorragender verkehrlicher Anbindung, sei es mit dem direkten Autobahnanschluss an die A 44 oder dem dichten Netz der Bundesstraßen 252, 241, 68 und 7, gibt die Zuckerfabrik derzeit mehr als 60 Mitarbeitern Arbeit und stellt somit die Existenzgrundlage für diese und deren Familien dar. Darüber hinaus handelt es sich bei der Zuckerfabrik in Warburg um eine über lange Jahre gewachsene und fest etablierte Betriebsstätte mit einer traditionell starken Kundenbindung, welche sich in der Zahl von etwa 800 Landwirten nachdrücklich manifestiert, die dort jährlich ihre Zuckerrübenernte abliefern. Schließlich bietet die Warburger Börde einen der besten und ertragsreichsten Böden in ganz Deutschland und ist in dieser Hinsicht weit über die Landesgrenzen bekannt für ihre außergewöhnlichen landwirtschaftlichen Gegebenheiten.
Von der Soester Börde bis aus dem südwestlichen Niedersachsen werden die Zuckerrüben mittlerweile nach Warburg geliefert. Das Werk in Warburg hat dabei Spezialitäten, wie den einzigartigen Biorübenzucker, im Fertigungsprogramm und wirtschaftliche Nischen besetzt, was dem Werk eine besondere Note und auch Ertragskraft verleiht. Als Kommune sehen wir uns in der Hansestadt Warburg jederzeit als enger und verlässlicher Partner der hier ansässigen Wirtschaftsunternehmen und achten daher sehr darauf, wirtschaftsfördernde Rahmenbedingungen zu setzen, um in klar zukunftsorientierter Ausrichtung nicht bloß wettbewerbsfähige Standortfaktoren zu erhalten, sondern diese nach Möglichkeit beständig zu verbessern. So wird die Zuckerfabrik bei sämtlichen Vorhaben in der Bauleitplanung wie sonstigen Genehmigungsverfahren unterstützt und hierbei Rücksicht auf die Interessen des Werkes genommen. Zuletzt etwa in der Erweiterung der Zuckerrübenkampagne, welche für das kommende Jahr vor der Genehmigung steht, bei dem Ausbau der Infrastruktur durch Errichtung der neuen Anbindungsstraße an die Ostwestfalenstraße – B 252 – oder aber in der Schaffung von Erweiterungsmöglichkeiten zur Kapazitätserhöhung der Zuckerrübenauslastung, wie zuletzt im Jahr 2015 geschehen. Auch abseits etwaiger Genehmigungsverfahren arbeiten Politik und Verwaltung unserer Stadt, aber auch der Region, und die Warburger Zuckerfabrik auf vielen Feldern Hand in Hand zusammen. Der bereits seit dem Jahr 1984 bestehende und erst im September 2016 erweitert geschlossene Kooperationsvertrag zur innovativen Abwasserbehandlung zwischen der Firma Südzucker und dem Kommunalunternehmen der Stadt Warburg, unter wissenschaftlicher Leitung der RWTH in Aachen und Beteiligung der Bezirksregierung Detmold sowie des MKUNLV NRW zeigt dies auf eindrucksvolle und nachhaltige Art und Weise. Zusammenfassend ist die Warburger Zuckerfabrik ein wichtiger, elementarer und unersätzlicher Bestandteil unserer ländlich geprägten Region und deshalb aus der Warburger Börde schlicht nicht wegzudenken. Ich möchte Sie hiermit eindringlich bitten, dies bei Ihrer Entscheidung über den Restrukturierungsplan der Südzucker AG mit einzubeziehen und nach sorgfältiger Abwägung aller Gesichtspunkte die Entscheidung zur Aufgabe der Betriebsstätte in Warburg zu revidieren. Ich sehe ein Unternehmen wie die Südzucker AG mit ihrem Standort in Warburg, der 1882 „von Bauern für Bauern“ gegründet wurde, auch in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien, Verantwortung aber auch für den ländlichen Raum und die hiesige Region von und in der Sie seit 1882 gelebt haben. Bei allem Verständnis Ihrer berechtigten ökonomischen Überlegungen, muss dies bei der Abwägung eines solch gravierenden Schrittes ausgewogen mitbedacht werden. Über eine positive Nachricht hinsichtlich der Weiterführung der Zuckerfabrik Warburg würde ich mich persönlich, würden sich die Bürgerinnen und Bürger von Stadt und Region, die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nebst ihren Familien sowie die Landwirte der Region sich sehr freuen. Ich stehe Ihnen für weiterführende Gespräche jederzeit gerne zur Verfügung und werde mich diesbezüglich noch in den nächsten Tagen mit Ihnen in Verbindung setzen. Mit freundlichen Grüßen, Michael Stickeln.“