Kreis Höxter (r). Die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie stieß beim Unternehmer-Abend der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung im Kreis Höxter (GfW) auf reges Interesse. Aktuell gibt es noch drei freie Plätze für eine begleitete Zertifizierung ab Herbst 2019. Drei Unternehmen haben sich bereits für gemeinwohlorientierte Bilanzierung entschieden.

Knapp 20 Gäste waren der Einladung der GfW am 23. Mai gefolgt, sich erstmals darüber zu infor-mieren,wie Unternehmen von der Vision einer „Gemeinwohl-Region Kreis Höxter“ profitieren können. „Einehochspannende Idee, die wir als Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Kreis Höxter gerne unterstützen“, betonte GfW-Prokuristin Tatjana Disse in ihrer Begrüßung.

„Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele Unternehmen im Kreis die Chancen eines gemein-wohl-orientierten Wirtschaftens erkennen und ergreifen“, brachte Projektreferent Christoph Harrach sein Anliegen auf den Punkt. Und stellte im Anschluss einen gemeinsam mit dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Technischen Hochschule OWL ausgearbeiteten Weg vor, wie das konkret funktionieren kann: Im Rahmen des Projekts besteht so die einzigartige Möglichkeit, Unternehmen im kommenden Semester mit studentischer Begleitung zu ihrer ersten Gemeinwohl-Bilanz zu führen. Die betreuende Professorin Dr. Elke Kottmann betont in diesem Zusammenhang: „Der Umgang mit diesem „Rating-Tool“ ist für unsere Studierenden sicher eine wichtige Erfahrung. Das Thema CSR ist zu einem festen Bestandteil unserer BWL-Ausbildung geworden, wir begrüßen daher die Möglichkeiten zur praktischen Auseinandersetzung mit dieser Zertifizierung.

“Weil es bisher noch keine „Gemeinwohl-Region“ in Deutschland gebe, liege darin zudem die Möglichkeit eines Image-Gewinns für jedes beteiligte Unternehmen und für den gesamten Kreis.„DerKern ist allerdings nicht Image-, sondern Organisationsentwicklung“, erläuterte sein Kollege Christian Einsiedel. „Als Unternehmer erstellen Sie eine Finanz-Bilanz und nehmen Ihr Handeln durch eine ganz bestimmte Brille wahr. Themen wie Menschenwürde, Gerechtigkeit, ökologische Nach-haltigkeit und Transparenz haben Sie sicher jetzt schon im Blick. Sie werden aber selten systematisch erhoben und bewertet.“ Genau das leiste die zusätzliche Gemeinwohl-Bilanz, „mit Lern-und Lenkungseffekten in eine Richtung, die Ihrem Unternehmen ebenso guttut wie der Gesellschaft insgesamt“, so Einsiedel.

Gut 500 Unternehmen deutschlandweit seien bereits auf diese Weise bilanziert. Thorsten Schäfer, Inhaber eines Installationsbetriebs aus Horn-Bad Meinberg, berichtete: „Am Anfang stand Skepsis, nach dem Motto, was hat sich der Chef jetzt schon wieder überlegt. Aber weil im Lauf der Bilanzierung vieles gemeinsam besprochen und erfahren wird, fühlen sich die Mitarbeiter letztlich gewertschätzt. 

Wir sind besser geworden,zum Beispiel haben wir angefangen, bestimmte Prozesse aufzuschreiben, das hilft gerade auch neuen Kollegen. Und auch einige Lieferanten haben wir unterstützt, Ver-packungsmüll zu reduzieren.“Nicht zuletzt habe man neue Kunden gewonnen. „Die kamen ausdrücklich wegen unseres Engagements für das Gemeinwohl haben auch ohne große Verhandlungen gerechte Preise gezahlt“, zeigte sich Schäfer zufrieden.

Drei der anwesenden Unternehmer sind bereits entschieden, eine Gemeinwohl-Bilanz zu erstellen. Während zwei von Ihnen noch um Diskretion bitten, um zunächst ihre Belegschaft zu informieren, sieht sich Unternehmensberater Roland Florin aus Nieheim selbstbewusst in einer Vorreiterrolle: „Wir erstellen eine Gemeinwohl-Bilanz für unser Unternehmen, weil sie eine Reflexion unseres eigenen Handelns auslöst und auf Werte aufbaut, die uns privat wie auch im Business wichtig sind. Die systemische Betrachtungsweise geht weit über unser Umfeld hinaus und kann dazu beitragen, ein gutes Leben Aller zu ermöglichen. Wir wollen andere Unternehmen ermutigen, dieses Tool als Organisationsentwicklungsmodell zu nutzen und sich auf den Weg zu machen.

“Weitere Vorteile einer Gemeinwohl-Bilanzierung wurden anschließend in der Runde diskutiert. Betont wurde unter anderem Vorteile in der Personalgewinnung und bei der Motivation der vorhandenen Mitarbeiter, indem ihr Beitrag nicht nur zum wirtschaftlichen, sondern auch zum sozial-ökologischen Erfolg des Unternehmens sichtbarer wird. Ein Teilnehmer sah den Bilanzierungsprozess als Chance für die Unternehmensnachfolge, um die Nachfolgegeneration auf vielen Ebenen mit dem Unternehmen vertraut zu machen.Andere betonten, das viele Gemeinwohl-Perspektiven im Unternehmen schon vorhanden und durchdacht seien und die Bilanz die Chance biete, dies nun ganzheitlich darzustellen und besser zu sehen, „wo man auch im Vergleich mit anderen steht“.

Zuvor hatten Christoph Harrach und Christian Einsiedel das größere Ziel des als LEADER-Projekt laufenden Vorhabens vorgestellt: „Die Vereinten Nationen haben 17 Nachhaltigkeits-Ziele definiert, an denen weltweit gearbeitet wird. Gleichzeitig zeigt die regionale Entwicklungsstrategie von LEADER, dass es auch hier im Kreis viel zu tun gibt. Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein Weg, diese beiden Perspektiven zusammen zu bringen und echte Fortschritte zu erzielen“.

Die erste Chance auf eine durch die Technischen HochschuleOWL begleitete Bilanzierung besteht mit Beginn des Wintersemesters2019/20. Aktuell gibt es noch drei freie Plätze. Interessierte Unter-nehmen sind aufgerufen, in den nächsten Wochen individuelle Beratungstermine zu vereinbaren und bis 15. Juli 2019 eine Entscheidung über ihre Teilnahme zu treffen. Ansprechpartner hierfür ist Christoph Harrach: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Foto: Symbolbild